Nachdem die fünfzehnjährige Antonia ihre Mutter bei einem Unfall verloren hat, findet sie sich bei ihrem bislang unbekannten Großvater Otto auf dessen Bauernhof im Taunus wieder. Die Annäherung zwischen dem mürrischen Greis und dem Teenager gestaltet sich schwierig – bis Antonia ein altes Karussell in der Scheune entdeckt. Sie ist ganz verzaubert von dem nostalgischen Fahrgeschäft, und eines Abends beginnt ihr Großvater schließlich zu erzählen: von damals, als er noch ein junger Schausteller war und sich auf dem Weihnachtsmarkt in Frankfurt zum ersten Mal im Leben unsterblich verliebte.
Ich mag Geschichten, die ein aussergewöhnliches Thema haben oder in denen eine spezielle Sache, ein spezielles Ding im Mittelpunkt stehen. Deshalb machte mich "Das Winterkarussell" schon in der Verlagsvorschau neugierig, andererseits aber war ich skeptisch.
Das hätte ich nicht sein müssen, denn diese wundervolle Geschichte ist genau nach meinem Geschmack. Im Zentrum der Geschichte steht natürlich das titelgebende Karussell.
Otto blickt in Gedanken, und später auch seiner Enkelin erzählend, auf seine beiden grossen Lieben zurück: ins Jahr 1938 auf seine Erlebnisse mit Lene, die er während seiner Arbeit als Schausteller auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt kennenlernte. Aufgrund der Jahreszahl befürchtete ich, dass der Kriegsbeginn und alles was damit zusammenhängt, viel Raum einnehmen wird. Doch dem ist nicht so und ich kann allen, die wie ich nicht gerne Romane über die Kriegszeit lesen, Entwarnung geben. Glücklicherweise geht es um etwas anderes: das Leben mit seinen Tücken und Überraschungen an sich, teilweise auch in Bezug auf unterschiedliche Gesellschaftsschichten.
Im Gegenwartsstrang, der 1990 spielt, lernt der griesgrämige Otto seine bisher unbekannte Enkelin Antonia kennen. Da es ihr im Jugendheim, in das sie nach dem Tod ihrer Mutter ziehen musste, nicht gefällt, will sie lieber zu ihrem Grossvater. Auch wenn sie ihn nicht kennt und keine Ahnung von seinem Leben in dem kleinen Dorf hat, es dünkt sie allemal besser als im Heim zu bleiben. Langsam nähern sich die beiden an und Otto enthüllt das Geheimnis um das wunderschöne Karussell, das in seiner Scheune steht.
Da ich den Frankfurter Römer von meinen Buchmesse-Besuchen her kenne, konnte ich mir den beschriebenen Weihnachtsmarkt bildlich vorstellen - obwohl die Autorin so lebendig schreibt, dass man sich die Szenerie auch ohne Ortskenntnisse vergegenwärtigen kann. Die Geschichte an sich hat Hand und Fuss, ist glaubwürdig und vor allem wunderschön erzählt.
Trotz des "Weihnachtsmarkts" kann man den Roman auch gut im Januar oder Februar lesen, wenns draussen schön kalt ist. Winterliche Stimmung verbreitet "Das Winterkarussell" jedenfalls spätestens ab der Mitte des Romans. Am Ende der Geschichte hat man bloss einen Wunsch: selbst eine Runde auf dem "alten Mädchen" drehen und dabei einen Becher Apfelwein trinken.
"Das Winterkarussell" hat mich dermassen begeistert, dass der Roman einen Platz auf meiner Jahreshighlight-Liste 2020 bekommen hat, so berührend und warmherzig wie diese aussergewöhnliche Geschichte war.
Fazit: Stimmungsvoll und wunderschön aufs Papier gebrachte Wintergeschichte rund um ein nostalgisches Karussell.
5 Punkte.
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