Es war 11:37 Uhr. Eine Minute später ging alles schief. Die Filmfestspiele in Cannes: Dem jungen, aufstrebenden Personenschützer Nicolas Guerlain passiert ein unverzeihlicher Fehler. Durch eine ruckartige Bewegung stößt er versehentlich seinen Schützling, einen namhaften Minister, vor den Augen der Öffentlichkeit zu Boden. Seine Karriere ist ruiniert – er wird in seine alte Heimat, den idyllischen Badeort Deauville in der Normandie, strafversetzt. Mit der Ruhe am Meer ist es jedoch bald vorbei, als eine abgetrennte Hand an den Strand gespült wird. Nicolas beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Und deckt einen Fall auf, der Jahrzehnte zurückreicht.
Dieser französische Krimi beginnt 1967 im Casino von Deauville. 50 Jahre später fällt ein Fotograf über Bord eines Fischerkahns, doch von ihm fehlt jegliche Spur. Die Polizei in Deauville ist nicht begeistert, denn im momentan eher ruhigen Badeort soll in ein paar Tagen eine grosse Gipfelkonferenz mit vielen Politikern aus dem In- und Ausland stattfinden. Die Sicherheitsvorkehrungen sind kaum zu stemmen. Zudem bekommt Polizeichef Michel Bonnet die Nachricht, dass Personenschützer Nicolas Guerlain ihm in Sicherheitsfragen zur Seite gestellt wird.
Nicolas gehörte zum Bodyguard-Team eines Ministers, doch durch einen Fehler zieht er nationale Aufmerksamkeit auf sich und wird nach Deauville strafversetzt. Sehr willkommen ist er nicht. Doch auf seine eigene Art gelingt es ihm und der ebenfalls neu in Deauville als Praktikantin arbeitenden Claire nicht nur den Mord, sondern auch das Komplott rund um den umsympathischen Minister aufzuklären.
Sprachlich sehr schön und geschickt flechtet der Autor viele Stränge und Geheimnisse nebeneinander, die erst gegen Schluss miteinander verknüpft werden. Denn lange weiss man nicht, welchen Zusammenhang der Casino-Teil von 1967 mit den aktuellen Vorkommnissen zu tun haben. Ich habe das Gefühl, Benjamin Cors will damit die Leser ein wenig hinhalten: er beschreibt detailliert und unzusammenhängend die Geschehnisse und kostet es aus, den Leser im Dunkeln zu lassen. Nur um dann zum Ende mit einem fast fulminaten Finale die Leser denken zu lassen, sie sässen im Kino und schauen einen Actionfilm. Der Aufbau erinnert deshalb sehr einem Drehbuch.
Auf Zwischenmenschliches wird viel Wert gelegt und so sind dem Autor die Charaktere gut gelungen:
Nicolas, der seiner Julie nachtrauert; seine Mutter, die eine Boutique in einem Nobelhotel führt; das gesamte Personenschützerteam unter der Leitung von Gilles Jacombe: Jalabert, Thomas Bolden, Bertrand, Manou und die neue Assistentin, die Nicolas ersetzt; das stets unterbesetzte Polizeirevier in Deauville unter der Leitung von Michel Bonnet: der ehrgeizige Roussel, der es auf die Nachfolge von Michel abgesehen hat, Yves Colinas, Sandrine Poulainc und Claire, die Praktikantin mit den langen Sätzen und kurzen Haaren; auch der äusserst unsympathische Minister François Faure, der meint, sich alles erlauben zu können; und Hugo, der die kleine Fähre in Deauville betreibt.
Auf die Zukunft in Deauville bin ich sehr gespannt. Einerseits bin ich neugierig wie die Zusammenarbeit von Nicolas und Claire weitergeht und natürlich möchte ich auch wissen, was es mit Julie auf sich hat - der Cliffhanger am Schluss lässt erahnen, dass in Band 2 mehr verraten wird.
Der Titel passt gut zum Inhalt, die Leiche des Fotografen wird zwar vermisst, doch es tauchen dafür andere Strandgüter auf.
Fazit: Mir war "Strandgut" eine Spur zu kryptisch. Trotzdem ein solider Krimi mit gelungenen Charakteren und spannend bis zum Schluss.
4 Punkte.