Donnerstag, 31. Mai 2018

Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg von Julie Peters

Klappentext:
Frieke sitzt schon auf gepackten Koffern, als sie ein letzter Auftrag nach Spiekeroog führt. In der kommenden Woche will sie ihrem langjährigen Freund nach Boston folgen. Auf der Nordseeinsel angekommen, trifft sie als erstes ausgerechnet auf ihren Vater, dem sie, seit er die Familie vor Jahrzehnten verlassen hat, aus dem Weg gegangen ist. Um altem emotionalen Ballast erst gar keine Chance zu geben, stürzt sie sich in die Arbeit: eine Reportage über den Vogelforscher Bengt Gerjets. Allerdings gestaltet sich das komplizierter als gedacht, denn Bengt hält weder etwas von neuen Medien, Großstadtmenschen noch von Journalisten, sorgt jedoch für ziemlich viele Schmetterlinge in ihrem Bauch. Gut, dass sie direkt über der kleinen Inselbuchhandlung wohnt, um das machen, was sie am besten kann: das Buch für jede Lebenslage finden. Aber ob das auch bei ihr selber klappt? 

Buchtitel mit Cafés oder Läden an einem Insel- oder Strandweg scheinen momentan bei den Verlagen sehr modisch zu sein. Und bei jedem neuen "Weg"-Titel denke ich: nicht schon wieder. Trotzdem las ich beim vorliegenden Laden-Weg-Titel den Klappentext, das Cover fand ich ja eh schön, und gab dem Buch trotz Titel eine Chance.

Die Autorin war mir gänzlich unbekannt, doch anscheinend hat sie schon mehrere Bücher herausgebracht. Ihr neuestes Werk spielt auf Spiekeroog. Hier lebt der Ornithologe Bengt abseits in einem Wohnwagen und sorgt sich um die Inselschwalben. Ole Hansen gehört das Kapitänshaus. Sonja, die mit ihren drei Kindern ebenfalls auf der Insel beheimatet ist. Die ist klein und so kennen alle Ebba und Willem. Die zwei führen eine Buchhandlung und möchten sich eigentlich zur Ruhe setzen, doch es fehlt an einem Nachfolger. Wenn es nach Ebba geht, muss es jemand sein, der ihre Gabe besitzt - sie kann den Kunden jeweils das passende Buch empfehlen. Als Journalistin Frieke für einige Tage in die Wohnung oberhalb der Buchhandlung zieht, ist für Ebba klar, wer ihre Nachfolgerin wird. Doch Frieke hat andere Sorgen. In einer Woche fliegt sie mit ihrem Freund Harald in die USA, um dort eine Agentur zu eröffnen. Chef Florian hat ihr noch einen letzten Auftrag zugeschanzt: ein Interview mit dem Naturschützer Bengt, der gänzlich offline arbeitet. Frieke ist mulmig zumute, aber nicht wegen dem Job, sondern weil ihr Vater, mit dem sie nie Kontakt hatte, auf Spiekeroog lebt. 

Frieke weiss nicht, wie sie auf ihn reagieren soll, sollte sie ihn sehen. Ihre Gefühle über ihren Vater, über ihre Zukunftsaussichten und vieles mehr wurden sehr gut und echt rübergebracht. Auch die Geschichten der restlichen Charaktere empfand ich sehr lebensnah geschildert. Sei es Bengt, bei dem gegen Schluss erklärt wird, wieso er momentan offline lebt oder Sonja mit ihren Kindern. Ole Hansen ist eh ein Original, er gefiel mir sehr gut. Nur bei Ebba hatte ich Anfangs Mühe, konnte dann aber ihr Gaben-Ding akzeptieren. Für mich hätte es das nicht gebraucht, es wär auch mit "nur" der Pensionierung allein eine gute Geschichte geworden. 

Die Autorin hat viele Themen in den 320-seitigen Roman gepackt: neuer Job, Auswandern, unbekannter Vater, Naturschutz, Pensionierung, Krankheit, Heimat und Medienkonsum. Bei allen, aber insbesondere beim letzten Thema sieht man die Entwicklung im Laufe der Geschichte gut. Frieke, die aktiv twittert und ohne Social Media und elektrische Geräte nicht auskommt, auf der einen Seite und Bengt, ohne alles, auf der anderen Seite werden aufeinander losgelassen. Trotzdem berichtet Julie Peters nicht schwarz-weiss und wertend über den Medienkonsum, sondern arbeitet das, und auch die anderen Themen gut und glaubhaft aus und findet einen Weg mit verschiedenen Auffassungen umzugehen. 

Interessante Charaktere, spannende Themen - das ist schon mal ein grosser Teil, den ein guter Roman ausmacht. Fehlt noch der Schreibstil. Und genau der ist es, der aus einem durchschnittlichen einen sehr guten Roman macht. Und eben der war es, der mir total gut gefiel. Die angenehmen kurzen und prägnanten Sätze fand ich enorm entspannend. Schon während dem Lesen war ich fasziniert von dem wunderbar ruhigen Schreibstil. Diesen zu schätzen wusste ich spätestens bei meiner darauffolgenden Lektüre, dort ging es so geschwätzig zu und her, dass ich zur Erholung zwischendurch jeweils ein paar x-beliebige Seiten in "Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg" las. 

Mich begeisterte der Roman total, nur den Titel hätte ich anders gewählt, vielleicht wäre "Zwischen Brandseeschwalben und Buchladen" passender gewesen. Aber wenn man nur am Titel rumnörgelt, hat die Autorin definitiv etwas gut gemacht!

Fazit: Wohltuend ruhiger, ehrlicher und abwechslungsreicher Roman, den man nicht nur für Nordsee-Urlaub auf der Leseliste haben sollte. 
4.5 Punkte.


Dienstag, 29. Mai 2018

Der kleine Brautladen am Strand von Jane Linfoot (Wedding Shop 1)

Klappentext:
»Brides by the Sea« ist der niedlichste Brautladen von ganz Cornwall. In dem kleinen Haus an der Strandpromenade werden die geheimsten Wünsche jeder Braut erfüllt: vom perfekten Kleid bis zur leckersten Hochzeitstorte. Und genau für die ist Poppy zuständig - eigentlich. Denn als plötzlich die Hochzeitsplanerin ihrer besten Freundin abspringt, muss Poppy sich um alles kümmern. Nicht zuletzt um den sexy, aber etwas mürrischen Farmer Rafe. Ist Poppy diesem Chaos wirklich gewachsen?





"Witzig und erfrischend leicht" - schreibt angeblich die The Times über Linfoots Buch. Leicht ja, aber weder erfrischend noch witzig. Oder eher fast schon zu witzig, auf Teufel komm raus.

Poppy wohnt in einer Dachwohnung oberhalb des Brautmodeshops "Brides by the Sea", das von ihrer Freundin Jess geführt wird. In dem Poppy manchmal aushilft, wenn Jess und Designerin Sera zu viel Arbeit haben. Eigentlich backt Poppy Kuchen und Torten und hat früher als Fooddesignerin in London gearbeitet. Nun steht die Hochzeit von Poppys Freundin Cate bevor - doch die Hochzeitsplanerin am gewünschten Festplatz kündigte. Für Cate blanker Horror. Poppy wird von Cate und Immie überredet, sich um die Stelle als Hochzeitsplanerin zu bewerben, damit Cates Traumhochzeit stattfinden kann. Natürlich bekommt Poppy die Stelle...


Der gesamte Roman wird aus Poppys Sicht erzählt: zu viele Worte, zu viele Sätze, zu viele Details, zu viele Seiten. Oft ist unklar, was sie nur für sich denkt oder was sie davon ihren Freundinnen mitgeteilt hat. Die Story hat zwar einen klaren Plot, aber durch das viele Geplappere wird vieles zusammenhangslos, denn Poppy schweift sehr oft ab.


Auch sonst ist alles oberflächlich gehalten. Besonders von Immie, Sera, Jessy, Cate und Jules bekommt man nur ein paar Eckpunkte mit, der Rest bleibt unklar. Bei Poppy wirkt es, als ob sie ihre Torten mit links und innert kürzester Zeit bäckt. Als bräuchte sie nur 5 Minuten dazu, als ob es kein Aufwand ist, wenn Poppy nach einem langen Arbeitstag am nächsten Morgen mit einer verzierten Torte oder einem gefüllten Kuchen irgendwo erscheint. 


Obwohl Poppys Backkünste theoretisch nur nebensächlich sind, nehmen sie einen grossen Teil in der Geschichte ein, denn immerzu wird Kuchen oder Torte gegessen. Und wenn nicht gegessen wird, wird getrunken. Sekt am liebsten und fast durchgehend. Besonders unsympathisch war mir in diesem Zusammenhang Immie, die immer viel zu viel trinkt. Und niemand hält sie davon ab, denn auch die anderen trinken viel zu oft. 

Wieso man einen Charakter immerzu Alkohol trinken lässt, obwohl er eigentlich Psychologie studiert, nebenher auf dem Hof für die Cottage-Vermietungen zuständig ist, abends in einer Kneipe aushilft und einen Teenager-Sohn hat, begreife ich nicht. So wie die Autorin Immie beschreibt, denkt man sie sei eine unreife Göre und nicht eine alleinerziehende starke Frau, die für sich und ihren Sohn sorgt. Es passt einfach nicht zusammen.


Überhaupt sind die Charaktere schwierig dargestellt. Jessy sieht nur ihr Geschäft, Cate will unter allen Umständen eine Traumhochzeit, Rafe ist nörgelig. Fotograf Jules, der mir fast noch am sympathischsten war, ist nur Beiwerk. Keine Ahnung, was für ein Menschenbild die Autorin hat. Aber wenn man nach dieser Geschichte geht, gibt es für sie nur kichernde Frauen, die ständig ein gefülltes Sektglas oder einen Cocktail in der Hand haben, und Männer in den zwei Kategorien: "hat Geld"/"hat kein Geld". Das wirklich Wichtige, das die Menschen ausmacht, packt sie jeweils in einem Satz weg, während sie dem Unwichtigen seitenweise Platz einräumt. 


Während ich "Der kleine Brautladen am Strand" las, sehnte ich mich an die kurzen, prägnanten Sätze meiner vorherigen Lektüre zurück, denn ich fühlte mich in diesem ersten Teil von Jane Linfoots Brautladenserie gar nicht wohl, zu übertrieben empfand ich Poppys unermüdliches Geplappere. Als Leser bekommt man zwar mit, für welchen Mann sie sich mehr interessiert, aber Poppy - und somit der Schreibstil - ist dermassen flatterhaft und unachtsam, sie hört gar nicht zu, was ihre Gegenüber ihr erzählen. Es fehlt an allen Fronten an Empathie. 

Fazit: Eine sprunghafte Story mit einer nervigen Plaudertasche als Protagonistin. Wenig Gefühl, nur Geplauder; selbst die Liebesgeschichte wird zerredet. 
2 Punkte. 

Freitag, 25. Mai 2018

Das Meer so nah von Fiona Blum

Klappentext:
Lucy S. Harper ist Lehrerin für Mathematik in Manchester. Sie lebt allein, liebt die Welt der Zahlen und verabscheut Überraschungen. Wie den Anruf, den sie eines Tages erhält: Eine ihr unbekannte Frau namens Maureen teilt ihr mit, dass ihr Vater im Sterben liegt und sie noch einmal sehen möchte. Zuerst glaubt Lucy an einen Irrtum, denn ihr Vater Peter ist wohlauf – von jenem George, der in Irland angeblich auf sie wartet, hat sie noch nie gehört. Doch als ihre Eltern äußerst seltsam reagieren, wird Lucy misstrauisch. Spontan beschließt sie, nach Irland aufzubrechen und der Sache auf den Grund zu gehen. Und damit beginnt das erste Abenteuer ihres Lebens.



Was war ich überrascht als Autorin Fiona Blum im April sich auf Instagram freute, dass ihr neues Buch bald erscheint. Obwohl ich für mich selbst eine Liste mit für mich interessanten Neuerscheinungen führe, fehlte dort ihr neues Buch - keine Ahnung wieso mir das entgangen ist. Umso mehr freute ich mich, so unerwartet wieder einen Roman von ihr lesen zu können, denn seit "Liebe auf drei Pfoten" gehört Fiona Blum zu meinen Lieblingsautorinnen.

Nach Rom und Paris spielt ihr neues Buch in Irland. Stellt euch vor, ihr seid bereits über 40 und erfährt durch einen Anruf, dass euer Vater im Spital ist. Nicht der Vater, den ihr 42 Jahre lang für euren Vater gehalten habt, nein, ein gänzlicher unbekannter Mann. Ich nehme an, ihr wärt genauso perplex wie Lucy, nicht?

Kurzerhand packt diese ihre Sachen und reist nach Irland, wo sie von der ihr noch unbekannten Anruferin Maureen abgeholt wird. Mit ihr und Geordies Freunden durchlebt Lucy einige ungewöhnliche Tage. Als sie danach heimfahren will, wird sie durch unerwartete Zwischenfälle aufgehalten. Spontan entschliesst sich Lucy länger auf der Insel zu bleiben und nach Galway zu reisen. John Lennon ist schuld. Der hat nämlich so einiges mit Geordie und seiner Geschichte zu tun und Lucy ist einfach nur noch neugierig.

Soviel Spontanität ist total ungewöhnlich für Mathematiklehrerin Lucy. Sie liebt Regeln und vernünftige Entscheidungen. Dass sie jetzt so gegen ihr Gemüt arbeitet, überrascht sie selbst am meisten. Die zahlreichen Begegnungen mit ihr bisher unbekannten Menschen in Irland geben ihr Mut dazu. 

Geordie ist der gemeinsame Nenner aller Figuren. Er, der rastlose Musiker, war allen wichtig, er hat in allen etwas bewegt. Nach und nach erfährt der Leser die Lebensgeschichten der Clique; wie auch von Personen, die an den diversen Stationen im Roman auftauchen und natürlich Geordies Geschichte. Der Roman wird für alle Charaktere zu einer Pilgerreise nach Galway, die sie alle verändert - denn nicht nur Lucy ist unterwegs. Beim Lesen hofft man, dass sie alle wie Geordie die "Heimat ihrer Seele" finden werden.

In "Das Meer so nah" mag ich ohne Ausnahme alle Figuren. Oft gibt es ja mindestens eine Figur, mit der man so gar nicht kann. Doch solche Figuren fehlen gänzlich. Man muss sie einfach alle mögen: Maureen, 52, die sich Lucy gegenüber verantwortlich fühlt wie eine Mutter; Roisin, die Pubwirtin und Feenspezialistin, die wie ein Hexe wirkt; Murphy, das Hutzelmännli mit der Zahnlücke; der junge Flynn, der durch sein Tattoo aggressiv wirkt; der 60jährige Seamus mit dem Glasauge; Gracie, Nachfahre einer Piratin und mit Wäscheständer anstatt Rollator unterwegs; deren verschüchterte Nichte Erin, von der niemand viel weiss; nicht zu vergessen der wortkarge Schafbauer Liam Cullen und einige mehr. 

Sie alle werden auch im Personenregister erwähnt, in welchem man besser erst während der Lektüre nachschaut, sonst verwirrt es mehr als es hilft. 

Sympathisch war mir zum Glück auch Protagonistin Lucy S. Harper. In Irland erfährt sie endlich was ihr zweiter Vorname bedeutet. S die Abkürzung für Skye - die vier Buchstaben sollten sie an den blauen Himmel, an die Leichtigkeit und an die Weite erinnern. Denn ihre Augen sind so "blau wie das Meer und der Himmel" (63/221). Sie macht wohl die grösste Veränderung durch - und das nicht laut, sondern sehr leise und wird feinfühlig erzählt. 

Die Sprachstärke der Autorin durchzieht auch ihren dritten Roman. Die Namen der Pubs sind geprägt von Humor und Wortspielen; und nur sie kann so schön und so kurz beschreiben weshalb ein Alkoholiker wurde wie er ist. Oder Irland so präzise umschreiben:
"Ein Land voller Kurven und Umwege, abstruser Geschichten und unerwarteter Ereignisse. Nirgends eine gerade Strasse, keine Linie, die verlässlich in eine Richtung wies, keine Gleichung, die aufging. Stattdessen Schafe und Regen und Strassengräben, Pubs, die nach bösen Schwiegermüttern benannt worden waren, Orte, die sogar Google nur mit Mühe fand und in denen es lediglich eine einzige, flackernde Strassenlaterne gab, Stürme die einem das Hirn wegfegten, seltsame Käuze, schweigende Schaffarmer und nirgends irgendetwas Verlässliches zum Festhalten. Kein Baum, kein Geländer, nirgendwo. Ein einziges Durcheinander. Kein Wunder, dass ihr schwindlig war." (65/221)
Fionas Blums Roman liest man mit einem Dauerlächeln im Gesicht, mal wird daraus ein Grinsen, dann ein melancholisches Nicken gepaart mit einem Seufzer. Mit "Das Meer so nah" legt sie einen gefühlvollen, unterhaltenden und amüsanten Roman vor, geprägt durch seine herrlich einfachen Charakteren - wer fährt denn wegen John Lennon quer durch die Insel, nur um ein Pub zu suchen? 

Fazit: Ein Roman wie ein Dominospiel - jede Handlung setzt etwas anderes ins Rollen. Eine berührende und erzählstarke Geschichte, die von von der ersten Seite an gefangen nimmt. 
5 Punkte. 

Sonntag, 20. Mai 2018

Mein wundervoller Antikladen im Schatten des Eiffelturms von Rebecca Raisin

Klappentext:
Anouk hat der Liebe abschworen, seit sie von ihrem Exfreund übel hinters Licht geführt wurde. Sie will sich nur noch um ihren kleinen Antikladen kümmern und den Menschen helfen, das zu ihnen passende Schmuckstück zu finden – denn jeder ihrer Schätze hat eine eigene Geschichte zu erzählen. Dann begegnet sie auf der Suche nach einem einzigartigen Cello dem mysteriösen Tristan, und schon bald merkt Anouk, dass seinem Herzen zu folgen ein bisschen so ist, wie sich in den Straßen von Paris zu verlieren – manchmal verwirrend und voller Irrwege, aber immer aufregend und voller einzigartiger Momente.



Die Protagonistin dieses Romans, Anouk, habe ich in "Mein zauberhafter Buchladen am Ufer der Seine" bereits kurz kennengelernt und mir war da schon klar, dass ich gerne ein Buch über Anouk und ihren speziellen Antiquitätenladen lesen würde. Jetzt ist es möglich geworden.

Das Spezielle an Anouks Laden ist, das nicht jedermann dort einkaufen kann. Nur wer eine Empfehlung durch die bestehende Kundschaft hat, kommt in den Genuss des besonderen Hinterzimmers. Anouk liebt ihr Geschäft und war glücklich - bis Joshua ihr Herz und ihr Bankkonto ruiniert hat. Ihr Ex beklaute sie im grossen Stil, doch aus Scham ging sie nicht zur Polizei. Anouk ist finanziell gebeutelt, steckt tief in den roten Zahlen und beginnt fast von vorne, um ihr Geschäft wieder aufzubauen. 

Leider wirkte nicht nur ihr Verzicht auf die Anzeige sehr naiv, auch der Umgang mit ihrer Schwester Lilou, die einfach so zu Anouk in die Wohnung zieht, und dies erst noch mit abwechselnden Freunden. Ich hätte mir eine heftigere Auseinandersetzung mit Lilou gewünscht, um die Geschichte glaubhafter zu machen. Anouk ist 28 Jahre jung, am Anfang dachte ich sie sei einiges älter, aber ihr Verhalten macht sie eher jünger. 

Es ist wohl einfach nicht die Stärke der Autorin, ihre Charaktere weniger naiv zu charakterisieren. Diese Naivität und amerikanische Oberflächlichkeit, die mich schon im ersten Band störte, zieht sich leider auch durch den zweiten Band. Dabei bräuchte es gar nicht viel, nur ein bisschen mehr Bodenständigkeit der Charaktere, um aus Rebecca Raisins Texte wirklich schöne Romane zu machen.  

Verständlich hingegen ist Anouks Misstrauen gegenüber dem Amerikaner Tristan. Er taucht plötzlich in der Antiquitätenszene auf, exakt zu dem Zeitpunkt als es in Italien und Frankreich Diebstähle in Auktionshäusern und Kunstsammlungen gibt. Zudem ist Tristan immer in der Nähe der Tatorte oder sagt Treffen ab - und anschliessend erfährt Anouk, dass sich genau dann erneut ein Diebstahl ereignet hatte. Tristan gibt auch nur vage Auskünfte über sich und seine Gefühle, alles in allem sehr auffallend und verdächtig. Gegen Ende des Romans haben Anouk und Uhrenhändlerin Madame Dupont genug und wollen den Täter inflagranti erwischen.

Daneben geht es vor allem um Anouks Gefühle und ihrem, wie schon erwähnt, Misstrauen gegenüber Tristan, dass der ignorante Joshua ihr bei Auktionen immer zuvor kommt und um Anouks Familie, die ihr rät, nicht alles so negativ zu sehen - dabei wissen auch sie nicht, wie es um Anouks Finanzen steht. Ihre Mutter gibt sich auf für den konservativen, rechthaberischen Vater, und Schwester Lilou ist flatterig und scheint nicht arbeiten zu wollen. Der Vater zahlt ja die Schule, die sie nicht besucht und wohnen tut sie gratis bei Anouk... Und damit wären wir wieder bei der Oberflächlichkeit angelangt, die mich auch bei der Antiquitätensache störte: vieles wird angeregt, aber nicht zu Ende erzählt, zum Beispiel das Cello, das Anouk unbedingt kaufen wollte. 

Den Roman raushauen kann aber Anouks Mutter, die mir in der zweiten Hälfte sehr gut gefallen hat, ebenso die über 70jährige Madame Dupont, die für einige Schmunzler sorgt und der kriminalistische Touch der Geschichte. 

Fazit: Eine Raubserie erschüttert die Antiquitätenszene in Paris - Anouk glaubt den Täter zu kennen und verliebt sich ihn in. Eine Liebesgeschichte mit Krimi-Flair, der mich trotz Oberflächlichkeit unterhalten hat. 
4 Punkte.

Vielen Dank an den Aufbau Verlag und Netgalley!


Reihenfolge:

Wobei es sich nicht wirklich um eine Serie handelt, die Bücher sind eigentlich Einzelbände. In jeder Folge wird kurz jemand erwähnt, der dann im folgenden Teil eine Rolle spielt. Im ersten Band besuchte Océane mit Sarah Anouks Laden, im zweiten Band hatte Anouk mit Sebastians Schwester zu tun und sie sprachen kurz über ihn und seine Einstellung. Océane kaufte im zweiten Band etwas bei Anouk. Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. 

Samstag, 19. Mai 2018

Krimi: Der Teufel von Eguisheim von Jules Vitrac (Kreydenweiss & Bato 2)

Klappentext:
Es herrscht beinahe gespenstische Ruhe am spätsommerlichen Morgen im elsässischen Eguisheim, als Jean-Marie Knopfer aus dem Fenster stürzt. Er ist augenblicklich tot. Niemand kann sich erklären, wie es dazu kam. Dann werden Wanderer von einem Reh attackiert. Eine Untersuchung ergibt: Das Tier hatte Tollwut. Wehrt sich die wilde Kreatur gegen den Menschen, wie einige im Dorf glauben wollen? Als ein weiterer Todesfall die Eguisheimer erschüttert, ahnen Céleste Kreydenweiss und Luc Bato von der Police Municipale, dass dieser Fall nur zu lösen ist, wenn man tief in die Abgründe der menschlichen Seele steigt, zu den Ursprüngen von Fanatismus und Aberglaube.


Seit dem Fass-Mordfall geht es in Eguisheim wieder gewohnt ruhig zu und her. Doch dann geschehen einige komische Dinge: ein Eguisheimer stürzt aus dem Fenster, im Wald wird ein Paar von einem Reh angegriffen, man findet Fallen im Wald und der nackte Hippie und Waldbewohner Jérome gibt sich geheimnisvoll. Kommissar Wolfsberger interessiert sich nicht dafür und lässt Céleste Kreydenweiss und Luc Bato in Ruhe - die beiden haben Blut geleckt, das alles kann doch kein Zufall sein. Sie halten sich bedeckt und haben es in der Folge mit einigen unliebsamen Einwohnern zu tun. Doch alle sind beschäftigt mit Vorbereitungen für das grosse Weinfest. Nun stellt sich aber der neue Pfarrer Schwarzweiler quer, er will nicht, dass der Kirchenchor daran teilnimmt, zumindest nicht, wenn nur Lieder aus der Carmina Burana gesungen werden. Es kommt zum Streit.

In diesem zweiten Band der Kreydenweiss & Bato-Serie werden Eguisheim und einige der Dorfbewohner vorgestellt: Francine führt den Lebensmittelladen, in dem die 60jährige Rosalie oft einkauft und klaut. Die Greniers haben einen kleinen Zeitschriftenladen, Henri ist Wirt vom Bistro, Julien der Besitzer der Weinstube, Albert Epfacher leitet das Stadtmuseum und macht Ziegenkäse, die ehrenamtliche Kirchenmitarbeiterin Valerie Crummenacker, Gärtnerin Hortense und Nicolette Pelletier aus der Bäckerei singen im Chor, und Brigitte von der Verkehrsüberwachung lässt auch die Polizei nicht durch die Einbahnstrasse fahren. Sie alle tragen zum Dorfleben aktiv dazu. Céleste muss einige davon befragen, einige werden sogar verdächtigt. Hortense zum Beispiel, sehr zum Leidwesen von Luc Bato, der sich verliebt hat. 


Auch dieser Fall ist wieder sehr gekonnt geschrieben. Der Leser weiss genau so viel oder wenig wie die Polizei und muss mit den vorhandenen Puzzlesteinen versuchen, das Gesamtbild zu legen, was sehr schwierig und verzwickt ist und auch erst zum Ende gelöst wird. Unterhaltsam blickt man hinter die Fassaden der Eguisheimer. Ja, und einer davon ist schlussendlich "Der Teufel von Eguisheim". Spannend erzählt, ein sympathisches Ermittlerteam mit Ecken und Kanten - bitte mehr davon. 

Fazit: Solide Ermittlungsarbeit mit unerwarteten Wendungen und ein spannendes Thema machen den Krimi sehr lesenswert. 
4 Punkte. 

Reihenfolge:
Band 1: Mord im Elsass
Band 2: Der Teufel von Eguisheim 

Freitag, 18. Mai 2018

Krimi: Mord im Elsass von Jules Vitrac (Kreydenweiss & Bato 1)

Klappentext:
Die Bewohner von Eguisheim tragen heute Schwarz: Sie erweisen Madeleine Béranger, der Frau des Bildhauers, die letzte Ehre. Und finden sich danach im Wirtshaus ein, wo sie mit Wein und elsässischen Köstlichkeiten die Trauer zu verarbeiten versuchen. Doch die Ruhe im sonst so beschaulichen Ort will sich auch in den nächsten Tagen nicht einstellen: Mitten auf dem Marktplatz steht ein Sauerkrautfass mit einer Leiche. Kurz darauf findet man eine Tote in der «Bäckertaufe», einem Eisenkäfig am Eingang des Heimatmuseums. Schnell wird ein Muster klar: mittelalterliche Bestrafungsmethoden. Doch wer ist der Täter? Und wie wählt er seine Opfer aus? Noch bevor es eine Spur gibt, geschieht ein dritter Mord. Der schlimmste von allen.

2016/17 sind gleich zwei neue Krimiserien erschienen, die in einer bisher kriminalliterarischen noch nicht abgedeckten Region spielen: dem Elsass. Die andere Serie hatte mich nicht ganz überzeugt, und so war ich vor der Lektüre von "Mord im Elsass" schon ein wenig skeptisch.

Unnötigerweise, wie ich schon auf den ersten 20 Seiten feststellte. Der Schreibstil hat mich gepackt - kein Wunder, denn wie sich später herausstellte ist Jules Vitrac ein Pseudonym einer deutschen Autorin, die ich auch unter ihrem anderen Pseudonym "Fiona Blum" und ihrem richtigen Namen Veronika Rusch sehr gerne lese. 

Aber auch die Charaktere haben mich gleich eingenommen: Céleste Kreydenweiss, die junge Chef de Police, die in ihrem Heimatort arbeitet, und ihr Brigadier Luc Bato. Er redet nicht viel, stammt aus den Vogesen und ist Wochenaufenthalter in Eguisheim. Seine erste Stelle nach der Polizeischule, die er als Jahrgangsbester abgeschlossen hat. Sie sind ein noch nicht eingespieltes, aber passendes Team, die es auch mit ihren Vorgesetzten aufnehmen, wenn es erforderlich ist. Dafür haben sie die volle Unterstützung von Bürgermeister André Ginglinger.  Es ist generell ruhig und nicht viel los auf der Polizeistation. Viel Verwaltungsarbeiten, ab und an Alkoholkontrollen, Diebstähle, selten entlaufende Diebe - keinen Mord bisher. 

Eguisheim ist etwa 80km von Strassbourg entfernt, viel näher liegt Colmar. Von dort kommt die Kripo mit ihrem unbeliebten Kapitän Wolfsberger um das tickende Fass zu untersuchen, das eine Leiche birgt. Der Tote ist ein Biobauer aus der Gegend. Das Fass wurde vom fetten Frosch weggeklaut, das Restaurant ist im Besitz von Célestes Mutter Catherine. Diese traute dem toten Biobauern nicht, sie hat ihr Fleisch anderswo gekauft. Bald wird der Fall undurchsichtiger für alle, denn es werden weitere Mordopfer gefunden und in Strassburg wird ein Anwalt vermisst. Alles hängt irgendwie zusammen - nur Wolfsberger, Typ "ich hab immer recht", findet schnell einen Schuldigen, der Fall ist für ihn gelöst. Doch er hat nicht mit Célestes Hartnäckigkeit und Etienne Walter, dem Commandant der Police Nationale in Strassburg gerechnet.

In "Mord im Elsass" geht es um Gerüchte, Betrügereien, Sexspiele, Untreue und vieles mehr. Besonders die ungewöhnlichen Tatorte sprechen für den Ideenreichtum der Autorin. Viele aussergewöhnliche Details zeigen, dass sie ausserdem sehr gut recherchiert hat. Der Krimi ist packend zu lesen, sehr stimmig und besticht durch Situationskomik. 

Fazit: Ein fesselnder und vielschichtiger erster Fall für Kreydenweiss & Bato. Dazu eine Ermittlerin, die weiss was sie will und sich nicht länger unterdrücken lässt. 
4 Punkte.

Reihenfolge:
Band 1: Mord im Elsass
Band 2: Der Teufel von Eguisheim 

Donnerstag, 17. Mai 2018

Krimi: Ein Gentleman in Arles von Anthony Coles

Klappentext:
Peter Smith hat ein bewegtes Leben als Unternehmensberater, Lehrer für Kunstgeschichte und britischer Geheimdienstler hinter sich und beschließt nun, in mittleren Jahren, dem verregneten England den Rücken zu kehren und sich zusammen mit seinem Windhund Arthur im schönen Arles zur Ruhe zu setzen. Schluss mit Trubel und Nebelwetter, sein knurriges Temperament sehnt sich nach Sonne, köstlichem französischem Essen und Ruhe. Doch genau die ist ihm nicht vergönnt: Kaum hat Smith das berühmte römische Amphitheater nach einem Stierkampf verlassen, wird ihm plötzlich ein Schlag auf den Hinterkopf versetzt. Als er wieder zu sich kommt, findet er sich unter einer auffallend gut gekleideten Leiche wieder. Ohne es zu wollen, stolpert er mitten hinein in einen mysteriösen Mordfall, ein Netz aus Intrigen und eine provenzalische Verschwörung.

...und schon ist es vorbei mit Peter Smiths ruhigem Rentnerdasein. 

Nach dem Unglück und dem darauf folgendem kurzen Spitalaufenthalt ist Smith noch ganz damit beschäftigt zu überlegen, was ihm alles komisch am angeblichen Selbstmord eines angesehenen Bürger aus Arles erscheint, da stehen sie auch schon Schlange an seiner Tür: die Polizei und die Angehörigen des Toten, ein Vater-Tochter-Gespann namens Aubanet. Da alle Seiten um seine Gunst buhlen, lässt sich Smith auf eine Zusammenarbeit ein und beginnt zu "ermitteln." 

Seine Detektiv-Arbeit erstreckt sich leider nur im Installieren einer speziellen Software, die Daten aus dem Computer des Toten liest und aus einigen Anrufen. Drei-, viermal muss er sich seinen Beschattern entledigen; viel mehr macht der 65jährige Peter Smith nicht. Er hat somit reichlich Zeit für Wanderungen in der Umgebung und viele ausgedehnte Spaziergänge durch Arles in Begleitung seines Windhundes Arthur. Auch gutem Essen ist Smith nicht abgeneigt, seine Markt- und Restaurantbesuche füllen einige Seiten. 

Der Rest des Buches besteht aus vielen Informationen zur Suche im Internet, zu IP-Adressen usw. Als ob die Adressaten des Romans alle über 80jährige Leser sind, die diesbezüglich keine Ahnung haben und die moderne Technik langsam und ausführlich erklärt bekommen müssen...

Der Schreibstil ist sehr snobistisch. Man konnte nicht einfach "ein kariertes Hemd" schreiben, nein, es musste ein Tatersall-Hemd sein. Auch aplomb, arkadisch und weitere Fremdwörter konnte man nicht auf Deutsch übersetzen, damit man unbedingt neunmalklug daherkommt. Zudem fällt auf, dass alle Charaktere sich entweder gewählt ausdrücken oder nur einsilbige Antworten von sich geben. 

Und alle sind sie undurchsichtig: egal ob Polizei, Angehörige, Angestellte oder Smith selber. Auch bei ihm weiss man nie genau auf welcher Seite er steht. Irgendwie wohl schon bei den Guten, aber so klar ist das nicht. Aus seiner Vergangenheit als Agent unter der englischen Krone macht er ein Geheimnis. Auch über seinen Freund Gentry, der mir fast am liebsten war, erfährt man kaum etwas. 

Zusammen mit dieser latenten Überheblichkeit, die sich durch alle Seiten hinweg zieht, liest sich dieser Roman, der im Wirtschaftsbereich mit Mafiastrukturen angesiedelt ist, sehr träge und langweilig. Was nützen dem Leser Beschreibungen seiner Nachbarn auf den ersten Seiten, wenn sie danach nie wieder in Erscheinung treten, sondern stattdessen andere ältere Menschen? Von den ellenlangen IT-Abhandlungen ganz zu schweigen.  

Arles als Weltkulturerbe und der Camarque nebenan wäre ein toller Schauplatz für eine interessante Krimiserie. Bei diesem Erstlingskrimi kann man leider weder von unterhaltsam noch spannend sprechen, er kommt genau wie sein Protagonist Smith mehrbesser und vage daher. Ich habe nichts gegen Beschreibungen der Landschaft und gutem Essen, aber wenn das alles ist, über das in einem Krimi geschrieben wird, reicht das einfach nicht aus. Die einzige spannende Stelle, bei der Smith wieder einmal Agent sein durfte, wirkte in dem Kontext total übertrieben, so nach dem Motto "Thema Action erledigt und Smith steht gut da". Für einen guten Krimi braucht es aber viel mehr als nur das. 

Fazit: Ich glaube, der Autor hat in erster Linie für seinesgleichen geschrieben: für Rentner, die immer nur ein paar Seiten eines Buches lesen, bevor sie es bis zum nächsten Tag oder mehrere Tage zur Seite stellen, wie es sein Held Smith auch tut. Wäre der Krimi spannend, müsste man ihn ja in einem Zug lesen, was den gemächlichen Alltag durcheinanderbringen würde. 
2.5 Punkte.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Das kleine Atelier der Mademoiselle Iris von Agnès Martin-Lugand

Klappentext:
Iris droht in ihrem kleinbürgerlichen Leben zu ersticken. Ihre Ehe verläuft schon lange nicht mehr glücklich, und ihr Job in einer Bank deprimiert sie. Einziger Lichtblick ist ihre Nähmaschine, mit der sie voller Herzblut wunderschöne Kleider schneidert. Nach einem Streit mit ihrem Mann reist sie kurz entschlossen nach Paris, um sich dort ihren Lebenstraum zu erfüllen und eine professionelle Ausbildung zur Schneiderin zu beginnen. Ihre ungewöhnliche neue Chefin Marthe ist sofort begeistert von ihrem Talent und bietet ihr ein kleines Atelier an. Iris' Glück scheint sich endlich zu wenden – bis sie Gabriel kennenlernt, der alles auf den Kopf stellt.



Die französische Autorin erzählt die Geschichte von Iris, die Zeit ihres Lebens immer nur beleidigt oder belächelt wurde, sobald es um ihr grosses Hobby, dem Nähen, ging. Lächerliche Nähversuche - hiess es seitens der Eltern, die etwas Besseres aus ihrer Tochter machen wollten. Ihn ihrem Job ist sie unglücklich und ihr Mann Pierre belächelt sie ebenso. Als Iris heraus findet, dass ihre Eltern ihr willkürlich etwas enorm Wichtiges verschwiegen haben, fühlt sich um ihr Leben betrogen. Jetzt reicht es ihr endgültig und endlich getraut sie sich ihr Talent zu entfalten und meldet sich für eine Nähschule in Paris an. Bald wird sie zur Wochenaufenthalterin in Paris, was für Spannungen mit Pierre führt.  

In der Hauptstadt trifft sie auf Nähstudioleiter Philippe, Mäzenin Marthe und Jules, den Butler. Und Gabriel, Marthes Ziehsohn. Gabriel hat ein "Gschleick" mit den Frauen, alle liegen ihm zu Füssen und freuen sich, wenn er Einladungen ausspricht. Nicht so Iris. Doch durch soviel Beachtung von einem Mann wirkt Gabriels Charme schnell bei ihr - vielleicht auch nur um sich und Pierre zu zeigen, dass sie nach wie vor attraktiv ist und durchaus Chancen bei Männern hat. 

Bis zur Mitte des Buches regte mich Iris auf: erst bricht sie aus, dann ist sie genau gleich wie zuvor, nämlich naiv und gefügig. Zuerst lässt sie sich von ihren Eltern gängeln, dann von ihrem Mann unterdrücken und als hätte sie nichts gelernt, auch von Marthe. Das nervte mich total - ich überlegte bereits, ob ich das Buch abbrechen soll. Zum Glück habe ich es nicht getan, denn nach und nach rivalisieren sich einige der Charaktere und der eigentlich banale Roman entwickelt auf einmal eine grosse psychologische Tiefe. 

Insbesondere die bipolare Marthe und die Macht, die sie ausstrahlt und anwendet, fand ich sehr faszinierend dargestellt. Wie da alles zusammenhing mit Marthe, ihrem verstorbenen Ehemann Jaques und Gabriel, ja besonders dessen Charakter und Geschichte - und was am Ende dabei herauskam, wird einfach ergreifend erzählt. 

Der Plot ist fast schon abgedroschen, also nichts, was man nicht schon irgendwo gelesen hätte. Doch die Ausarbeitung der Figuren macht diesen Roman zu etwas Besonderem. Die Autorin ist Psychologin, kein Wunder. 

Fazit:  "Entre mes mains le bonheur se faufille" - In meine Hände schleicht sich das Glück - ob Iris das auf der letzten Seite wohl sagen kann? Lasst euch von der faszinierenden Geschichte über ambivalente Persönlichkeiten überraschen.
5 Punkte. 


Montag, 14. Mai 2018

Ein Sommer wie Limoneneis von Marie Matisek

Klappentext:
Marco, erfolgreicher Immobilien-Anwalt, schaut lieber nach vorne als zurück. Er hat eine glanzvolle Karriere gemacht, und für seine Wurzeln, die in Amalfi liegen, bei seiner Familie, die seit Jahrhunderten eine Limonen-Plantage betreibt, interessiert er sich wenig. Doch dann will seine Frau plötzlich die Scheidung, und sein Vater im fernen Süditalien bricht sich die Hüfte. Marcos Weg führt ihn nach Amalfi – widerwillig und nur für kurze Zeit, wie er glaubt. Es dauert jedoch nicht lange und die zauberhafte Küste sowie das sinnliche Leben Süditaliens nehmen ihn gefangen. Und dann steht Lisabetta wieder vor ihm, die zauberhafte Liebe seiner Jugend. Kann und will Marco sein Leben noch einmal von Grund auf ändern?


Kurvige Küstenstrassen, Zitronengärten, Meer, Amalfi - ins sonnige Italien führt uns Marie Matisek mit "Ein Sommer wie Limoneneis". 

Doch der Roman beginnt in München, wo Marco Pantanella als erfolgreicher Immobilienanwalt arbeitet. Er wohnt mit Frau Geli und seinen zwei Kindern Luca und Sabrina am Starnberger See. Marco merkt nicht, wie ihm seine Familie immer fremder wird. Am selben Tag als er morgens überraschend zum Partner in der Firma auserkoren wird, wird er abends überraschend von seiner Frau verlassen. In beiden Fällen wird er vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Frau ist weg, im Urlaub für zwei Wochen; er muss sich um die Kinder kümmern und ausserdem geschäftlich überraschend nach Singapur. Zuviel für ihn. Ein Burnout zwingt ihn zum Krankenstand  - den sein Chef nicht akzeptiert. Auf Drängen seiner 16jährigen Tochter Sabrina fährt Marco trotzdem zum Auftanken nach Amalfi. Im Dorf wird er schon sehnlichst zur Zitronenernte erwartet, sein Vater hat das Bein gebrochen. Alle seine Nachbarn und Freunde denken, Marco sei wegen seines Vaters gekommen, doch er hatte ja keine Ahnung. 

Die Autorin legt in diesem unaufgeregten Roman eine intensive Charakterstudie eines Protagonisten im Clinch mit sich selbst vor. Sie erzählt, wie Marco zwischen dem eigenen Leben in Deutschland und der Verbundenheit mit dem Heimatdorf steht. Grosse Erwartungen werden von allen, deutschen wie italienischen, Seiten an ihn gestellt, nun geht es darum herauszufinden was er wirklich will, was ihn glücklich macht. Für Marco beginnt eine Zeit der Selbstreflexion. Zudem trifft er auf seine erste grosse Liebe - die er nie vergessen hat.

Die vielschichtigen Themen können nachvollzogen werden: ein Mann, der nie zuhause ist und Frau mit Kindererziehung und Haushalt alleine lässt; die möglichst rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit fürs Büro; die Frage nach den persönlichen Wurzeln, die einen geprägt haben; die Heimatverbundenheit, auch wenn nur 100 km (und nicht 1300km wie im Roman) Unterschied zwischen Heimat und aktuellem Lebensmittelpunkt stehen; die Beziehung zu den Eltern. Daraus macht Marie Matisek aber kein Drama mit viel Streitereien und sie wertet die verschiedenen Lebenswege auch nicht, was mir sehr gut gefiel. Der Roman kommt eher nachdenklich und melancholisch daher. Die Thematik wird geschickt in den vorsommerlichen Süden hinein gebettet, was für eine gewisse Leichtigkeit sorgt und sehr schön umgesetzt ist. 

Die Landschaftsbeschreibungen versetzen den Leser schnell an die italienische Südwestküste, man fühlt sich wie im Urlaub. Zudem gefällt mir sehr, dass für einmal ein Mann wie Marco mit all seinen Problemen und Gedanken im Vordergrund steht und die Frauen Nebendarsteller sind. Die verstorbene und doch allgegenwärtige Nonna sorgt für einige Schmunzler und macht sie zu einem grossen Sympathieträger. Aber auch den zwei, drei unsympathischen Charakteren im Roman kann man nicht wirklich lange böse sein. Ausser Marcos Chef, aber den vergisst man schnell. 

Fazit: Eine optimistische Stimmung erzeugende schöne und sehr lebensnah erzählte Geschichte, die sich das ganze Jahr gut lesen lässt. 
4.5 Punkte. 

Vielen Dank an den Droemer Knaur Verlag!

Reihenfolge:
Vorgeschichte: Sommer der Erinnerung
Band 1: Ein Sommer wie Limoneneis

Samstag, 12. Mai 2018

Krimi: Château mort von Alexander Oetker (Luc Verlain 2)

Klappentext:
Sein erster Sommer im Aquitaine neigt sich dem Ende entgegen – doch kurz vor der Lese der edelsten Weine wird Frankreich von einer Hitzewelle erfasst. Und ausgerechnet nun findet der Marathon du Médoc statt, wo die Läufer in bunten Kostümen antreten und unterwegs auch noch Rotwein verkosten dürfen. Ein riesiges Fest, das für Luc noch schöner wird, weil seine Angebetete Anouk nach einer geheimnisvollen Italienreise wieder ins Aquitaine zurückkehrt. Gemeinsam stehen sie im Schlossgarten von Lucs bestem Freund Richard, der die Marathonläufer mit einem feinen Rotwein verköstigt. Plötzlich brechen einige Sportler zusammen, ein Politiker kommt nur knapp mit dem Leben davon und ausgerechnet der sympathische Winzer Hubert stirbt. So sehr sich Luc auch dagegen sträubt: Alle Spuren führen zu Richard, denn der steckt offenbar in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Der Commissaire muss sich bald entscheiden zwischen der Loyalität zu seinem alten Freund und den Gefühlen für seine Partnerin Anouk, die Richard längst für den Täter hält.


"Château mort" führt in die französische Region Médoc. Ein Kriminalfall mitten in den Weinbergen, kombiniert mit dem speziellen Marathon du Médoc, stellte ich mir atmosphärisch und spannend vor. Ich wurde nicht enttäuscht. 

Da beide Polizisten Ende Sommer nicht viel zu tun haben, verbringt Yacine aus Paris einige Ferientage bei seinem Freund und ehemaligen Chef Luc. Surfen und das Leben geniessen steht auf dem Plan. Nur ein Arbeitseinsatz steht Luc noch bevor: einige Stunden als Streckenposten den Läufern des Marathon du Médoc den richtigen Weg zu weisen. Am Vorabend findet zum Auftakt des Laufes ein traditionelles Abendessen statt. Beim Essen lernt Luc Hubert kennen, der sich angeregt mit ihm unterhält, Luc aber erst nach dem Rennen etwas Wichtiges enthüllen will. Doch soweit kommt es nicht, denn während des Laufes brechen Hubert, ein Minister und einige andere Läufer kurz nacheinander zusammen. Hubert überlebt nicht. Nun ist es aus mit der Ruhe und es gilt herauszufinden, wem dieser Anschlag galt. Auch das erhoffte romantische Wiedersehen mit Anouk gestaltet sich durch das Unglück nicht wie erwünscht. 

Luc ist betroffen vom Tode Huberts, noch mehr, dass sein alter Freund Robert zum Hauptverdächtigen wird. Dies sorgt schnell für Spannungen, denn Anouk und Luc geraten aneinander, ermitteln teilweise sogar getrennt. Anouk lernt man besser kennen, indem ein wenig über ihre Familie erzählt wird. Dennoch umgibt sie weiterhin etwas Geheimnisvolles, das sie schwer zu fassen macht.
Lucs Dilemma wird gut beschrieben, er glaubt an seine Menschenkenntnis und doch zweifelt er je länger je mehr an der Unschuld Robert. Die Ermittlungen sind verzwickt. Der Fall hat es in sich und auch versierte Krimileser bleiben sehr lange im Dunkeln.

Gegessen wird, wie schon im ersten Band, ausgiebig; getrunken - es wäre ja enttäuschend in  einem Weinkrimi - viel Wein. Wer mit Wein nichts anfangen kann, sollte lieber die Hände von "Château mort" lassen. Weinliebhaber hingegen werden begeistert sein. Der Weinanbau wird ausführlich geschildert. Auch die Problematik der nicht einfachen Arbeit der Winzer, die sehr wetterabhängig ist und der Kampf der kleinen Weinbauern gegen die grossen Weingüter - David gegen Goliath - wird ganz nebenbei erklärt. 

Luc raucht in diesem Band sehr viel, das müsste nicht sein. Ich befürchte, dass ihm dies in einem allfällig dritten Band zum Verhängnis wird. Im ersten Band konnte man es noch zur Seite schieben und für unwichtig anschauen, doch hier gibt es mehrere Hinweise darauf, dass jemand Luc Übles will. Solche Andeutungen mag ich gar nicht. Sie sollen wohl neugierig machen, bei mir bewirkt es das Gegenteil. 

Nichtsdestotrotz vergebe ich "Château mort" die volle Punktzahl, denn dieser zweite Krimi von Alexander Oetker hat mir noch besser gefallen als "Retour". Bis auf die oben erwähnte Sache gibt es gar nichts auszusetzen.

Fazit: Ich war begeistert von den Wendungen, die der raffinierte Mordfall nimmt. Dazu ein konstanter Spannungsbogen von der ersten zur letzten Seite: Krimigenuss pur!
5 Punkte.


Reihenfolge: 
Band 1: Retour
Band 2: Château Mort
Band 3: Winteraustern
Band 6: Sternenmeer
Band 7: Revanche

Freitag, 11. Mai 2018

Krimi: Retour von Alexander Oetker (Luc Verlain 1)

Klappentext:
Luc Verlain liebt gutes Essen, Frauen und sein sorgenloses Leben in Paris. Doch als sein Vater schwer erkrankt, lässt Luc sich versetzen. Ausgerechnet nach Bordeaux in die Region Aquitaine, von wo er als junger Polizist geflohen war. Zurück in seiner Heimat muss Luc sich seinen Erinnerungen stellen. Und schon kurz nach seiner Ankunft erschüttert ein Mord die Gegend: Ein Mädchen liegt erschlagen am Strand von Lacanau-Océan. In dem kleinen Dorf kochen schnell die Spekulationen hoch. Das Opfer hat erst vor kurzem die Beziehung zu dem algerischen Nachbarsjungen beendet, der als dringend tatverdächtig gilt. Der Stiefvater des Mädchens will die Sache selbst in die Hand nehmen. Lucs Ermittlungen führen ihn an die Strände und in die Weinberge der Region und zurück nach Paris, immer an seiner Seite seine Kollegin Anouk, deren Charme er nur schwer widerstehen kann.


Dieses Cover! Meer, Strand, blauer Himmel, der alte Holzzaun - und erst noch ein Krimi, der in Frankreich spielt. Hörte sich gut an, wurde gekauft. Und gelesen. 

Aufgrund der schweren Krebserkrankung und dem damit verbundenen Spitalaufenthalt seines Vaters zieht Kommissar Luc Verlain zurück in sein Heimatdorf Lacanau-Ocean in der Nähe von Bordeaux. Luc liess sich von Paris nach Bordeaux in die Brigade criminelle, der Sondereinheit für Kapitalverbrechen versetzen, wo er bereits früher schon arbeitete. Sein Vorgesetzter Preud'homme meinte noch zu ihm, er werde nicht viel zu tun haben, Morde seien selten. Kaum ausgesprochen, findet man eine junge tote Frau und das neue Team muss ausrücken und zusammen arbeiten, obwohl sie sich noch gar nicht kennen. Für Anouk Filipetti und Hugor Pannetier kein Problem. Aber der kaltschnäuzige Etxeberria fühlt sich gemassregelt, will keinen neuen gleichgestellten Kollegen - obwohl er von Glück reden kann, dass er selbst nicht versetzt wurde. 

Es kommt wie es kommen muss: Etxeberria hält sich nicht an Abmachungen, fasst einen Verdächtigen viel zu früh und mobilisiert somit den unflätigen Vater der Toten samt Gefolge, die nur zu gerne Selbstjustiz ausüben wollen. Luc hat infolge einiges zu tun, um den Ball flach zu halten und in dem explosiven Umfeld trotzdem genau zu ermitteln.

Nach der Sache mit Etxeberria freut sich Luc auf einen Abstecher nach Paris, wo er während einigen Tagen zusammen mit Brigadier Yacine Zidouna aus seinem Pariser Team Zeugenbefragungen vornimmt. Sein Team in der Hauptstadt ist längst mehr als nur eine Arbeitsgemeinschaft; Luc, Yacine und Michel sind gute Freunde, die sich aufeinander verlassen können.

Zurück in Aquitanien bleibt ihm genügend Zeit für sein Privatleben. Zwischen Surfen, gutem Essen und zwei Frauen vergisst er zwar höchstens seinen kranken Vater, nicht aber seinen aktuellen Fall. 

Die Charaktere der Serie wie zum Beispiel Hugo Pannetier, der mal in einer Spezialeinheit arbeitete, hier als der ruhige Familienvater daherkommt und die forsche und neugierige Anouk Filipetti wie auch Lucs Pariser Kollegen Yacine und Michel sind interessant. Wenn man ihre Lebensläufe beachtet, ergibt sich eine tolle Mischung an Fähigkeiten, die in zukünftigen Fällen eine tragende Rolle spielen könnten. 

Freunde von französischen Landschaften und Kulinarik kommen in "Retour" auf ihre Kosten. Luc besucht gerne kleine Restaurants, wo er als Einheimischer sicher sein kann, dass er einfaches, aber gutes Essen vorgesetzt bekommt. Als Leser würde man sich manchmal auch gerne zu ihm an den Tisch setzen, sich ebenso bekochen lassen und bei einem Glas Wein mit ihm über seinen aktuellen Fall sprechen.  

Der Fall um die ermordete junge Frau bietet viele Verdächtige und lädt zum Miträtseln ein. Die Brigade criminelle geht allen Spuren nach und sorgt für spannende Ermittlungen. Somit liefert Autor Alexander Oetker ein gelungenes Erstlingswerk ab. 

Fazit: Interessanter Einstieg in die Krimireihe um Kommissar Luc Verlain. Dieses Debut mit den vielfältigen Charaktere und der Savoir-vivre-Atmosphäre machen Lust weitere Folgen zu lesen. 
4 Punkte. 

Reihenfolge: 
Band 1: Retour
Band 2: Château Mort
Band 3: Winteraustern
Band 6: Sternenmeer
Band 7: Revanche

Donnerstag, 10. Mai 2018

Krimi: Madame le Commissaire und die tote Nonne von Pierre Martin (Isabelle Bonnet 5)

Klappentext:
Vom Rand einer steil abfallenden Klippe, wo man sonst unter hohen Aleppo-Kiefern wunderbar den Sonnenuntergang genießen könnte, bietet sich Isabelle Bonnet ein alles andere als idyllischer Anblick: Unten am Strand liegt eine Frau, unverkennbar in Ordenstracht gewandet. Schnell bestätigt sich, was zu befürchten war: Die Nonne lebt nicht mehr. Offenbar hatte sie bei der Suche nach seltenen Heilpflanzen den Halt verloren und war zu Tode gestürzt. So jedenfalls die (vorschnelle) Schlussfolgerung der Polizei. Madame le Commissaire jedoch misstraut der ersten Schlussfolgerung ihrer Kollegen - und behält recht. Sie nimmt ihre Ermittlungen in dem einsam, aber malerisch gelegenen Monastère im Massif des Maures auf und hat bald mehr als einen Verdächtigen. Doch wer würde wirklich so weit gehen, eine Nonne zu ermorden?

Vor einigen Tagen träumte ich tatsächlich von einem Besuch im Laden von Clodine. Da war mir klar, ich muss dringend den neuen Band lesen! 

Clodine erscheint aber erst im zweiten Kapitel und im weiteren Verlauf taucht sie auch fast nur als Essensbegleiterin von Isabelle auf, denn Clodine ist stark mit ihrer neuen Affäre beschäftigt. Dafür hat Jaqueline, die rechte Hand von Innenminister Balancourt, ihr Versprechen wahr gemacht und besucht Isabel in Fragolin. Zusammen unternehmen sie einige Ausflüge. Gleich im ersten Kapitel sind sie im botanischen Garten der Domaine Rayol zu Besuch und wundern sich schon bald über den Menschenauflauf: Touristen, Sanitäter und Polizisten auf dem Weg zur Steilküste. 

Zur rechten Zeit am rechten Ort - denn wären die beiden Frauen nicht nachschauen gegangen, wäre Jaqueline und Isabelle der Sturz der mittlerweile toten Nonne nicht komisch vorgekommen, wäre ein Verbrechen nie gesühnt worden. Doch bis es soweit ist, braucht es viel Geduld, denn nirgends wird eine Nonne vermisst. Isabel und Apollinaire suchen fleissig weiter, bis letzterer sogar auf seine Socken wettet, weil er überzeugt davon ist, das eine bestimmte Person der Täter ist.

Isabelle nimmt der Tod der vorerst unbekannten Nonne persönlich mit. Sie macht sich viele Gedanken über ihr eigenes Leben und hat zudem wieder Schmerzen, die von ihrem Unfall herkommen. Doch ausruhen kann sie sich nicht, ihre beiden Männer Thierry und Rouven halten sie auf Trab und auch ein Betrugsfall in Fragolin erfordern ihre Konzentration. 

Madame le Commissaires Stimmung und die Abgeschiedenheit des Monastère des bonnes soeurs färben auf den Krimi ab. Er plätschert bedächtig vor sich hin, ohne allzu grosse Aufregungen. Es fehlte an Isabelles Gründlichkeit, sonst wären ihr in beiden Fällen Ungereimtheiten aufgefallen, welche schneller zur Aufklärung geführt hätten. Im Gegensatz zu Isabelles melancholischer Stimmung war Apollinaire unruhiger als sonst und wiederholte sich viel zu oft. 

Der Fall im versteckten Kloster ist einerseits mal was anderes, andererseits ist es mir zu weit her geholt. Klöster sind heutzutage gut vernetzt untereinander, die bürgerlichen Namen sind allesamt bekannt, auch Nonnen und Mönche müssen sich wie jeder andere Mensch auch in den Gemeinden anmelden. Ein total unbekanntes Kloster inklusive unbekannter Nonne ist mir demzufolge zu konstruiert. 

Fazit: Es kommt zwar Spannung auf, aber leider nicht in der Form der bisherigen Folgen. Bleibt zu hoffen, dass Isabelle sich wieder fängt und mit neuem Schwung im nächsten Band hinter die Ermittlungen geht. 
3.5 Punkte.


Reihenfolge:
Madame le Commissaire...
Band 1: und der verschwundene Engländer
Band 2: und die späte Rache
Band 3: und der Tod des Polizeichefs
Band 4: und das geheimnisvolle Bild
Band 8: und die panische Diva (ET 01.06.2021)

Mittwoch, 9. Mai 2018

Krimi: Mordslust pur von Su Turhan (Kommissar Pascha 6)

Klappentext:
Ein schrecklicher Anblick bietet sich Kommissar Demirbilek und seinem Migra-Team, als die Leiche eines Mannes in der Nähe der Münchner Erotikmesse entdeckt wird. Da sich weder Papiere noch Wertsachen finden, vermuten sie zunächst einen Raubmord. Doch Faserspuren an den Handgelenken des Opfers weisen darauf hin, dass der Mann vor seinem Tod gefesselt wurde – und zwar mit einem speziell gefertigten Bondageseil. Sofort nehmen sie die Ermittlungen auf der Erotikmesse, wo mehr Schein als Sein herrscht, und im Umfeld auf. Auch im Privatleben stochert Zeki zunächst im Nebel. Albträume suchen ihn heim, er befürchtet Schlimmes. Was er jedoch nicht ahnt: Tatsächlich schwebt einer seiner Liebsten in höchster Lebensgefahr!


Die Kommissar Pascha-Serie fiel mir schon vor einigen Jahren auf, doch ich schaffte es nicht sie zu lesen. Als Anfangs Jahr die ersten zwei Teile der Serie verfilmt wurde, hab ich mir die Folgen angeschaut. Durch die TV-Serie bin ich schnell in Band 6 hineingekommen, denn die Personen waren mir nun gut bekannt. 

Kommissar Zeki Demirbilek wird zu einem Tatort gerufen. Mehr als der Tote selbst interessiert ihn, wieso sein Kollege Pius Leipold schon vor Ort ist. Die zwei können nicht wirklich miteinander und es wird schlimmer: Leipold wird Zeki unterstellt - in Zukunft müssen sie gemeinsam ermitteln. In "Mordslust pur" gibt es zwar keine grösseren Zusammenstöse, beide geben sich Mühe, obwohl Macho Pius schnell einen Verdächtigen gefunden hat und Zeki davon nicht viel wissen will. Wie immer hängt Zeki sich in den Fall rein und mit seinem Auge für Details - komischerweise fehlt es ihm im Privatleben - lässt er nicht so schnell "lugg" und kommt weiteren Schandtaten auf die Spur.

Der Rest vom Team darf man aber nicht unerwähnt lassen: Isabel Vierkant ist die gute Seele des Teams, lernt sogar Türkisch. Die impulsive Lale Cengiz ist gerade genervt als Alleinerziehende und froh, dass Derya Tavuk (Zekis Ex-Freundin) sich um ihren Sohn Memo kümmert, wenn sie selbst zu Unzeiten arbeiten muss. Gerichtsmedizinerin Sybille Ferner gibt wie immer alles, wünscht sich aber mehr Rücksichtnahme auf die Hortzeiten ihrer Kinder. 

Zeki wie auch Lale stehen zwischen beiden Mentalitäten, sind zwar Teil beider Kulturen, fühlen sich weder am einen noch anderen Ort tatsächlich zu Hause. Pius erfüllt das Klischee des lauten, biertrinkenden, polternden Deutschen. Viele typische bayrische und türkische Ausdrücke schmücken die Aussagen der zwei Kommissare. 

Die Serie lebt total von den Sticheleien untereinander, den Befindlichkeiten im Team und insbesondere in diesem Band von den Privatleben aller Charaktere. Trotzdem ist auch der Kriminalfall interessant - nicht immer sind die Ermittlungen so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Im aktuellen Fall, der von Gewalt und Voyeurismus geprägt ist, gibt es einige Einschübe - der Schauplatz wechselt öfters von München nach Istanbul. Gerade zu Anfang ist nicht klar, aus welcher Sicht dieser Teil geschrieben ist. Als Leser denkt man sich zuerst, ist ja klar wer das ist. Doch dann kommt man ins Grübeln, weil einiges vielleicht doch nicht passt. Zur Zeit halten sich nämlich Zekis Sohn wie auch Teamkollege Serkan in Istanbul auf. Wurden diese Szenen von einem der beiden beschrieben oder von jemand anderem? Spannung wird dadurch auf jeden Fall erzeugt. 

In München spielen sich die Ermittlungen in der Erotik- und Fetischszene ab. Die Ermittler werden mit ungewöhnlichen Berufen, Lebensanschauungen und Menschen konfrontiert. Vieles wird vor ihnen verschwiegen. Licht ins Dunkel bringen nur ganz genaue Beobachtungen, leider erst sehr spät - Zeki und Lale wird viel zugemutet. Mit dieser Ausgangslage darf man dann aber gespannt sein auf den siebten Fall.

Fazit: Unterhaltender und spannender sechster Fall für Kommissar Pascha mit viel bayrischem Granteln und türkischem "Schaun wir mal". 
4 Punkte.

Reihenfolge der Serie mit Kommisssar Zeki Demirbilek:
Band 1: Kommissar Pascha
Band 2: Bierleichen
Band 3: Kruzitürken
Band 4: Anstich
Band 5: Getürkt
Band 6: Mordslust pur

Ich höre gerne passende Musik zu meiner Lektüre. Zur Kommissar Pascha-Serie kann ich hier im besonderen das Lied "Istanbul Istanbul olalı" von Sezen Aksu empfehlen oder die CDs von Yaşar, "Masal" zum Beispiel, und Ferhat Göçer.