Freitag, 25. Mai 2018

Das Meer so nah von Fiona Blum

Klappentext:
Lucy S. Harper ist Lehrerin für Mathematik in Manchester. Sie lebt allein, liebt die Welt der Zahlen und verabscheut Überraschungen. Wie den Anruf, den sie eines Tages erhält: Eine ihr unbekannte Frau namens Maureen teilt ihr mit, dass ihr Vater im Sterben liegt und sie noch einmal sehen möchte. Zuerst glaubt Lucy an einen Irrtum, denn ihr Vater Peter ist wohlauf – von jenem George, der in Irland angeblich auf sie wartet, hat sie noch nie gehört. Doch als ihre Eltern äußerst seltsam reagieren, wird Lucy misstrauisch. Spontan beschließt sie, nach Irland aufzubrechen und der Sache auf den Grund zu gehen. Und damit beginnt das erste Abenteuer ihres Lebens.



Was war ich überrascht als Autorin Fiona Blum im April sich auf Instagram freute, dass ihr neues Buch bald erscheint. Obwohl ich für mich selbst eine Liste mit für mich interessanten Neuerscheinungen führe, fehlte dort ihr neues Buch - keine Ahnung wieso mir das entgangen ist. Umso mehr freute ich mich, so unerwartet wieder einen Roman von ihr lesen zu können, denn seit "Liebe auf drei Pfoten" gehört Fiona Blum zu meinen Lieblingsautorinnen.

Nach Rom und Paris spielt ihr neues Buch in Irland. Stellt euch vor, ihr seid bereits über 40 und erfährt durch einen Anruf, dass euer Vater im Spital ist. Nicht der Vater, den ihr 42 Jahre lang für euren Vater gehalten habt, nein, ein gänzlicher unbekannter Mann. Ich nehme an, ihr wärt genauso perplex wie Lucy, nicht?

Kurzerhand packt diese ihre Sachen und reist nach Irland, wo sie von der ihr noch unbekannten Anruferin Maureen abgeholt wird. Mit ihr und Geordies Freunden durchlebt Lucy einige ungewöhnliche Tage. Als sie danach heimfahren will, wird sie durch unerwartete Zwischenfälle aufgehalten. Spontan entschliesst sich Lucy länger auf der Insel zu bleiben und nach Galway zu reisen. John Lennon ist schuld. Der hat nämlich so einiges mit Geordie und seiner Geschichte zu tun und Lucy ist einfach nur noch neugierig.

Soviel Spontanität ist total ungewöhnlich für Mathematiklehrerin Lucy. Sie liebt Regeln und vernünftige Entscheidungen. Dass sie jetzt so gegen ihr Gemüt arbeitet, überrascht sie selbst am meisten. Die zahlreichen Begegnungen mit ihr bisher unbekannten Menschen in Irland geben ihr Mut dazu. 

Geordie ist der gemeinsame Nenner aller Figuren. Er, der rastlose Musiker, war allen wichtig, er hat in allen etwas bewegt. Nach und nach erfährt der Leser die Lebensgeschichten der Clique; wie auch von Personen, die an den diversen Stationen im Roman auftauchen und natürlich Geordies Geschichte. Der Roman wird für alle Charaktere zu einer Pilgerreise nach Galway, die sie alle verändert - denn nicht nur Lucy ist unterwegs. Beim Lesen hofft man, dass sie alle wie Geordie die "Heimat ihrer Seele" finden werden.

In "Das Meer so nah" mag ich ohne Ausnahme alle Figuren. Oft gibt es ja mindestens eine Figur, mit der man so gar nicht kann. Doch solche Figuren fehlen gänzlich. Man muss sie einfach alle mögen: Maureen, 52, die sich Lucy gegenüber verantwortlich fühlt wie eine Mutter; Roisin, die Pubwirtin und Feenspezialistin, die wie ein Hexe wirkt; Murphy, das Hutzelmännli mit der Zahnlücke; der junge Flynn, der durch sein Tattoo aggressiv wirkt; der 60jährige Seamus mit dem Glasauge; Gracie, Nachfahre einer Piratin und mit Wäscheständer anstatt Rollator unterwegs; deren verschüchterte Nichte Erin, von der niemand viel weiss; nicht zu vergessen der wortkarge Schafbauer Liam Cullen und einige mehr. 

Sie alle werden auch im Personenregister erwähnt, in welchem man besser erst während der Lektüre nachschaut, sonst verwirrt es mehr als es hilft. 

Sympathisch war mir zum Glück auch Protagonistin Lucy S. Harper. In Irland erfährt sie endlich was ihr zweiter Vorname bedeutet. S die Abkürzung für Skye - die vier Buchstaben sollten sie an den blauen Himmel, an die Leichtigkeit und an die Weite erinnern. Denn ihre Augen sind so "blau wie das Meer und der Himmel" (63/221). Sie macht wohl die grösste Veränderung durch - und das nicht laut, sondern sehr leise und wird feinfühlig erzählt. 

Die Sprachstärke der Autorin durchzieht auch ihren dritten Roman. Die Namen der Pubs sind geprägt von Humor und Wortspielen; und nur sie kann so schön und so kurz beschreiben weshalb ein Alkoholiker wurde wie er ist. Oder Irland so präzise umschreiben:
"Ein Land voller Kurven und Umwege, abstruser Geschichten und unerwarteter Ereignisse. Nirgends eine gerade Strasse, keine Linie, die verlässlich in eine Richtung wies, keine Gleichung, die aufging. Stattdessen Schafe und Regen und Strassengräben, Pubs, die nach bösen Schwiegermüttern benannt worden waren, Orte, die sogar Google nur mit Mühe fand und in denen es lediglich eine einzige, flackernde Strassenlaterne gab, Stürme die einem das Hirn wegfegten, seltsame Käuze, schweigende Schaffarmer und nirgends irgendetwas Verlässliches zum Festhalten. Kein Baum, kein Geländer, nirgendwo. Ein einziges Durcheinander. Kein Wunder, dass ihr schwindlig war." (65/221)
Fionas Blums Roman liest man mit einem Dauerlächeln im Gesicht, mal wird daraus ein Grinsen, dann ein melancholisches Nicken gepaart mit einem Seufzer. Mit "Das Meer so nah" legt sie einen gefühlvollen, unterhaltenden und amüsanten Roman vor, geprägt durch seine herrlich einfachen Charakteren - wer fährt denn wegen John Lennon quer durch die Insel, nur um ein Pub zu suchen? 

Fazit: Ein Roman wie ein Dominospiel - jede Handlung setzt etwas anderes ins Rollen. Eine berührende und erzählstarke Geschichte, die von von der ersten Seite an gefangen nimmt. 
5 Punkte. 

2 Kommentare:

  1. Ui, das hört sich ja super an! Damit ist das Buch ganz nach oben auf meine "Will ich Lesen"-Liste gewandert - danke für die Vorstellung!

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    1. Das gehört ja auch zuoberst auf die Leseliste ;-)
      Liebe Grüsse
      Anya

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