Dienstag, 23. September 2014

Der Ruf der Pflanzen von Jutta Blume

Klappentext:

Ausser Sugar Creek, der Zuckerrohrplantage, auf der sie aufgewachsen ist, mitten im Urwald von Guyana, kennt die Sklavin Ife nicht viel. Als 1761 der schwedische Forschungsreisende Sandquist sie für eine botanische Expedition kauft, wird sie mit der Ideenwelt der Aufklärung konfrontiert. Für die heilkundige Ife sind Pflanzen etwas Spirituelles und Heilbringendes, Teil einer Welt, in der alles miteinander verwoben ist. Doch der Wissenschaftler Sandquist gibt den Pflanzen komische Namen, systematisiert sie und presst sie in Bücher. Durch ihn lernt sie lesen und schreiben - und stellt seine Sicht auf die Dinge infrage. Diese Begegnung mit der Wissenschaft verändert Ifes Leben für immer und ist der Anfang ihres Abenteuers, das sie bis nach Europa am Vorabend der Französischen Revolution führen wird. 


Dieses Buch gewann ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks. Herzlichen Dank an die Autorin und den Verlag! 

Das Cover mit einer meiner Lieblingsblumen, der Passionsblume , und dem Text im Hintergrund gefallen mir sehr gut. Noch besser gefallen haben mir aber die Zeichnungen im Buch selbst, mit denen jeweils ein neues Kapitel oder neuer Teil verziert wird. Auch den Klappentext fand ich spannend, obwohl ich eigentlich keine Bücher mag, die in Südamerika spielen. Schon gar nicht sogenannte Plantagengeschichten. Aber da es im vorliegenden Buch um den Zusammenprall von "eher neuer" systematischer Wissenschaft und "alter, überlieferter" Pflanzenheilkunde gehen sollte, hat es mich doch angesprochen.

Die Handlung beginnt somit leider auch gleich auf einer Zuckerrohrplantage und erzählt vom beschwerlichen Leben als Sklave auf Sugar Creek. Der Biologe Sandquist kommt 1761 auf die Plantage um im Dschungel Guyanas eine Expedition zu starten, er will neue Pflanzen entdecken und sie systematisieren. Auf Sugar Creek kauft er eine Sklavin, die Hauptprotagonistin Ife, die dort einerseits als Helferin einer Pflanzenheilkundigen arbeitet und als Wasserträgerin - sie bringt Ochsen und Arbeiter Wasser, damit diese die schwere Plantagenarbeit besser durchhalten und bei Kräften bleiben. Die Beschreibungen des Lebens auf der Plantage fand ich eher langweilig und düster. Sie passen zwar zum Buch, aber halt nicht zu meinen Vorlieben. Doch sobald Ife auf der Flucht war, sich im Dschungel selbst ernährte und zur Buschfamilie fand und einiges von ihnen lernte, fand ich es spannender. 

Doch dann hörte auch schon bald der Zusammenhang des Klappentextes mit dem Buchinhalt auf. Es geht in erster Linie also nicht, wie versprochen, um den Kontrast der traditionellen Pflanzenheilkunst gegenüber der systematischen Wissenschaft nach Linné, sondern um Unterdrückung der Menschenrechte. Wäre der Inhalt klar auf dem Umschlag gestanden, hätte ich mich nicht für diese Leserunde beworben. 

Sklavenhandel, Unterdrückung von Schwarzen und Weissen, etc. - über dies alles habe ich bereits Ende der 80er in Zeiten der Apartheid sehr  ausgiebig gelesen (z.B. Buch und Film über Steve Biko und viele andere mehr). Diese Themen hab ich in den letzten 25 Jahren oft genug durchgekaut und mag sie schlichtweg nicht mehr lesen. Aber ein Buch über die Bedeutung der Pflanzen hätte mir sehr gut gefallen. Doch nein. Am nicht passenden Klappentext ist wohl der "Stift" schuld (sagt man bei uns in der Schweiz so, wenn eine Arbeit nicht zufriedenstellend ausgeführt wurde, die Schuld hat dann immer der Stift = der Lehrling, auch wenn es gar keinen Lehrling gibt). Wer sich für das Thema Sklavenhandel/Menschenrechte interessiert, dem könnte dieses Buch gefallen. 
Mittlerweile steht auf Amazon ein anderer Klappentext als der auf dem Buch. Da wurden wohl meine Kritikpunkte am Klappentext ausgebessert und es steht nun mehr zur politischen Situation da. Aber sorry, das Buch ist ganz und gar nicht poetisch.

Das Buch hat leider noch mehr Schwächen:
- Zeitsprünge:
Es gibt etliche Zeitsprünge, die das Lesen nicht einfach machen, denn in den Rückblenden wird nicht alles Fehlende erzählt. Dazu kommt, dass schlicht zu viel geschrieben wird was keine Verbindung zum weiteren Verlauf hat - viel wird angerissen, aber nicht zu Ende erzählt. Viel wird aneinandergereiht, aber das Verbindende fehlt. Das Buch wirkt oft abgehakt.

- Emotionen:
Neben dem roten Faden und "mehr Pflanzen" fehlte mir auch ganz klar die Wärme. Die Charakter bleiben fast alle schroff und unnahbar und zeigen kaum Gefühle. Z.B. wird kein Wort über die Geburt von Ifes Tochter geschrieben: keine Frau, die je ein Kind zur Welt gebracht hat, wird diese Erfahrung verschweigen - ein, zwei Sätze hätten ja schon gereicht. 

- Unglaubwürdiges oder Unklares:
Vieles ist unglaubwürdig oder macht keinen Sinn: z.B. dass jemand nach einer eingeleiteten Abtreibung trotz extremen Schmerzen in die Felder rennt oder  Ife urplötzlich von einem Wasserfall getroffen wird, obwohl sie im Waldlager sitzt. Einmal macht Ife einen Besuch in London, und es scheint so als ob sie am selben Abend wieder abgereist ist - auf meine Frage hin, sagte mir die Autorin, dass Ife einige Tage in London war. Aha. Aus dem Text ging dies nicht hervor.

- Gleiche Namen:
Was ich allgemein in Büchern nicht mag, wenn unterschiedliche Protagonisten denselben oder ähnliche Namen haben. Auch wenn alle eher kurz vorkommen, so hätte man hier nicht den Sklaven und der Sohn der Familie Harris gleich nennen sollen. Es gibt doch sicherlich noch mehr Auswahl an damals typischen männlichen Namen als nur "Edward"! Und später tauchte nochmals ein weiterer Edward auf. Das müsste doch einfach nicht sein.

Es gab aber auch ein paar schöne Szenen im Buch: 
Eindrücklich beschrieben wird wie Ife zum ersten Mal ein Buch in den Händen hält. Soll sie es wie die Missus halten oder so wie Sandquist? Sie entscheidet sich für letzteres und blättert seine Bücher ehrfürchtig durch. Eine schöne Beschreibung!

Fazit: Für mich hat das Buch zu viele Mängel - und so kann ich maximal 3 Punkte vergeben.

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