Montag, 10. Juni 2024

Die Hochzeit der Chani Kaufman von Eve Harris

Klappentext:
Sie haben sich dreimal gesehen, sie haben sich noch nie berührt, aber sie werden heiraten: die neunzehnjährige Chani Kaufman und der angehende Rabbiner Baruch Levy. Doch wie geht Ehe, wie geht Glück? Eine fast unmögliche Liebesgeschichte in einer Welt voller Regeln und Rituale.







Es gibt den falschen Zeitpunkt um ein Buch zu lesen. Und es gibt den richtigen Zeitpunkt. Der falsche Zeitpunkt war für mich bei ET dieses Buches. Ich freute mich damals drauf, dass endlich wieder mal ein Roman über das orthodoxe Judentum erscheint. Doch viele Menschen, die das Buch 2015 gelesen haben, kennen sich im Judentum nicht aus und schon gar nicht im orthodoxen Judentum, und waren deshalb begeistert, einmal einen Blick in die sonst sehr verborgene Welt zu erhaschen. Schnell wurde das Buch gehypt und für eine "ganz neue Sicht", etc. befunden - und ich ärgerte mich, denn es gab bereits Ende der 90er und Anfang der 2000er einige Romane und vor allem Filme darüber. Also nicht wirklich neu, nur für gewisse Menschen, die dieses Buch extrem lobten. So begann ich die ersten Seiten zu lesen und fand, Leute, das ist nichts Neues, sondern halt nur neu für euch. Nach 50 Seiten brach ich ab und legte das Buch zur Seite und wartete auf einen besseren Zeitpunkt. 

Dieser schien mir gekommen, als nun Anfang 2024 eine Fortsetzung erschien. Diesmal viel mir der Einstieg leichter, denn der Hype blieb beim zweiten Band aus und so hatte ich all diese "neu" und "faszinierend" schreienden Stimmen nicht um mich und konnte mich ganz auf "Die Hochzeit der Chani Kaufman" einlassen. 

Es ist fesselnd geschrieben, so dass ich mir sogar einige Stunden frei nahm, damit ich möglichst am Stück lesen konnte. Ich habe dabei auch auf die für viele vielleicht eher nebensächlicheren Sätze geschaut. Jene, die still daher kommen und in der es um die Geschichte des Judentums geht. Wahre Worte, die aktuell noch so viel mehr aussagen als damals, als die Autorin das Buch geschrieben hat.

In diesem Roman rzählt werden mehrere Geschichten, natürlich hauptsächlich jene der titelgebenden Chani Kaufman. Sie, die vierte Tochter der Kaufmans, sollte endlich heiraten. Heiraten ist ein Muss im chassidischen Judentum. Eigentlich will Chani das nicht oder zumindest nicht so, und die vom Schadchen bisher vermittelten Kandidaten passten ihr auch nicht. Für einige Kandidaten bzw. eher derer Familie kam Chani nicht in Frage, da sie bekannt ist für ihren eigenen Kopf. An einer Hochzeit bemerkt Chani, wie sie von einem jungen Mann beobachtet wird. Kurz darauf kommt ein "Angebot", ein Anruf der Heiratsvermittlerin Mrs Gelbman, und Chani lässt sich auf ein Treffen ein.

Der junge Mann ist Baruch Levy, der bisher nicht auf die Vorschläge seiner Mutter einging und jetzt darauf pocht, Chani kennenzulernen. Mrs Levy, die sich für was Besseres hält, will Levy davon abhalten, denn Chani passe nicht in ihre Familie. Als sie merkt, dass sie nicht gegen Baruch ankommt und auch Chani ihr die Stirn bietet, fährt sie scharfe Geschütze auf und versucht alles Mögliche, um die zwei von einer Heirat abzuhalten. Die Treffen mit Mrs Gelbmann, gegen die Mrs Levy ebenfalls nicht ankommt, ist herrlich zu lesen. 

Chani trifft sich vor der Hochzeit mit Rivka Zilberbaum, der Frau des Rabbi und Rebbetzin genannt, die ihr viele Pflichten einer Ehefrau darlegt. Von Rivka erfährt man, wie sie ihren Mann Chaim kennen gelernt hat, wie beide fromm wurden und wie sie langsam aber sicher durch all diese vielen Ge- und Verbote, die im chassidischen Judentum zu befolgen sind, eingeht. Wo bleibt die Liebe dazwischen? Bei einem einschneidenden Erlebnis kann sie nicht mehr und sie ringt mit sich, Chaim hört aber nicht wirklich zu.

Ihr ältester Sohn Avromi darf an der Uni Jura studieren und lernt hier zum ersten Mal das echte Leben kennen - und Frauen. Besonders von Shola, eine Angolanerin, fühlt er sich angezogen.

Eve Harris erzählt nun, wie alle mit ihren Situationen umgehen, mit welchen Gedanken sie umgeben sind, bei den jüngeren Charakteren sind es zum Beispiel unbeantwortete Fragen betreffend Sexualität. Bei Chanis Mutter und auch bei Rivka stellen sich sich fast schon Depressionen ein, beide gehen anders damit um, und Rivka stellt ihre Familie auf die Probe.

"Die Hochzeit der Chani Kaufman" ist ein fesselnder Roman über eine bis zwei Handvoll Menschen, die alle anders mit ihrem teilweise vorgegebenen Lebensweg umgehen. Einige davon stellen Fragen, wagen zu denken, "was wäre wenn", andere wiederum, die die Fragenden nicht verstehen wollen oder können. 

Eve Harris bringt alles auf den Punkt, schreibt einfühlend, ehrlich, aber auch humorvoll. 

Fazit: Toll erzählt! 
5 Sterne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis:
Mit Nutzung der Kommentarfunktion akzeptierst du die Verarbeitung deiner Daten durch Blogger/Google. Mehr dazu in der Datenschutzerklärung dieses Blogs.
Um nervige und gehäufte Spam- und anonyme Kommentare zu verhindern, wird manchmal eine Sicherheitsfrage zu beantworten sein.