Am Montagabend erlebte ich die finnische Autorin Minna Lindgren im Kaufleuten in Zürich. Die Lesung war sozusagen der Auftakt zum Festjahr "100 Jahre Unabhängigkeit Finnland". Die schweizerische Vereinigung der Freunde Finnlands und die finnische Botschaft der Schweiz organisierten und ermöglichten die Lesung der in Finnland sehr bekannten Autorin. Unter anderem veröffentlichte sie die Romanserie "Drei alte Damen" - Band 1 (Rotwein für drei alte Damen) und Band 2 (Whisky für drei alte Damen) sind bereits auf Deutsch erschienen, Band 3 (Sherry für drei alte Damen) folgt im April.
Sprachwissenschaftlerin Carmela Ahokas Houben moderierte die Lesung, auf Deutsch gelesen hat die Schauspielerin Satu Blanc - ihr seht, alles war in finnischer Hand! Auch das Publikum (circa 100 Personen) setzte sich zum grossen Teil aus finnischen Landsleuten, die in der Schweiz leben, zusammen. Nur einzelne Besucher waren wie ich "Nur-Schweizer" und "einfach-so-Leserinnen". Das waren alle die, die nicht (oder an den falschen Stellen) gelacht haben, als Minna Lindgren gegen Schluss selbst noch einige Szenen auf Finnisch vorlas 😄. Ich verstand nicht mal "Bahnhof", sondern nur "Irma". Die Lacher hatte Minna auch auf ihrer Seite, als sie das serientypische "Döden, döden, döden" und "Kikeriki" nachmachte, zweiteres hörte sich auf Finnisch ein wenig anders an als auf Deutsch und hat sie von ihrer Grossmutter geklaut. Das "Döden" stammt von Astrid Lindgren, was aber im ersten Band genau erklärt wird.
Ihr seht, diese Finnin, die so humorvoll, ironisch und dennoch sehr alltagsnah und real über das Leben in einem finnischen Altersheim schreibt, kommt selbst genauso rüber.

Ihr seht, diese Finnin, die so humorvoll, ironisch und dennoch sehr alltagsnah und real über das Leben in einem finnischen Altersheim schreibt, kommt selbst genauso rüber.

Ihre Protagonisten haben viel von Minnas eigener Familie abbekommen. So erzählt sie ein wenig über ihre Charaktere: Irma erinnert, eine typische Grande Dame aus der Upper Middle Class von Helsinki, mit ihrem schwedisch-finnischem Dialekt sehr an Minnas Mutter, ihre Cousins und Schulfreundinnen.
Anna-Liisa, wie auch Minna, hat eine Leidenschaft für die finnische Grammatik. Anna-Liisa erwartet, dass die Leute ihre Korrekturen ernst nehmen. Sie weiss alles über alle - genau wie Minnas Vater.
Inspiriert zur Serie wurde die Autorin einerseits, weil ihre Eltern selbst in einem Altersheim leben, andererseits schrieb Minna während ihrer Zeit als Journalistin Artikel über Seniorenpflege und das finnische Gesundheitssystem.
Die ganzen Diskrepanzen
- über Ärzte, die Leben verlängern wollen, egal wie alt ihre Patienten sind (Herzschrittmacher einsetzen mit 94? In diesem Alter warten viele Senioren auf den erlösenden Schlaganfall);
- über Medikamente, die zusammen eingenommen Demenz auslösen;
- über Senioren, die mit 95 wegen normalem Fieber per Ambulanz ins Spital eingeliefert werden;
- und die nicht verstehen, wieso sie in ihrem hohen Alter plötzlich auf ihre Ernährung achten sollen, sie könnten wegen Diabetes ja sterben...;
- über Pflegekräfte, die anstatt Zeit mit den Senioren zu verbringen, sie in 8 Minuten abfertigen und allgemein die nicht funktionierende Spitex in Finnland.
- über die in Finnland nicht erlaubte Sterbehilfe.
Diese ganzen Widersprüche führten schlussendlich zu ihren drei Romane, die all die kritischen Zustände satirisch betrachtet.
Hauptthema im dritten Band sollen die hochtechnischen Gadgets sein, so werden die Bewohner im Altersheim unter der Bettnummer und nicht mehr mit dem Namen verzeichnet sein.

Ich genoss den lustigen Abend inmitten all der Finnländer sehr und bedanke mich beim KiWi-Verlag für den Eintrag auf der Gästeliste!
@KiWi: Übrigens gefallen eure Cover der Autorin sehr gut!
Hallo Anya,
AntwortenLöschentoller Bericht über die Lesung und vor allem das Thema. Und ich denke, ich hätte Mämmmi mal probiert. Ich mag Malz :-)
Liebe Grüße
Anja